Heinz Liebeck ist verstorben
Zum Tod von Heinz Liebeck
Es gibt nicht viele, die nicht nur ein Leben lang ihre eigenen Überzeugungen und Grundsätze kritisch hinterfragen, sondern die Schlüsse daraus auch in aller Konsequenz auf das eigene Leben übertragen. Heinz Liebeck war eine solche Person.
Sein Gebiet war die Klinische Psychologie, ein Forschungs- und Anwendungsbereich, der sich mit der Intervention bei psychischen Problemen beschäftigt, immer mit großer Verantwortung für andere. In Forschung, Lehre, Ausbildung, Praxis und Supervision hat er viele Generationen von Studentinnen und Studenten der Psychologie und sehr viele andere in ihrer psychotherapeutischen Ausbildung nachhaltig beeinflusst und unterstützt. Damit hat er über Jahrzehnte maßgeblich dazu beigetragen, dass die Psychologie in Göttingen eine psychotherapeutische Ausbildung auf hohem Niveau anbieten konnte.
Geboren 1944 und nach dem Abitur in Hannover begann sein akademischer Werdegang an der Universität Göttingen 1967 mit dem Studium der Psychologie. Dies schloss er 1972 erfolgreich mit dem Diplom ab. 1973 wurde er wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Klinische Psychologie am Institut für Psychologie, Universität Göttingen unter Prof. Erna Duhm. Parallel dazu Ausbildungen in Verhaltens- und Gesprächspsychotherapie. 1978 schloss er seine Promotion erfolgreich ab: "Untersuchungen zum Phänomen der Raumsymbolik in Psychotherapie und Psychodiagnostik: eine empirische Absage an einen Mythos", Referentin Prof. Erna Duhm, Korreferent: Prof. J. Bredenkamp. Ebenfalls 1978 erfolgte die Ernennung zum akad. Rat, 1991 zum akad. Oberrat. Im März 2009 beendete er den aktiven Dienst an der Universität.
Seine gesamte berufliche und akademische Entwicklung fand in der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie statt, lange Jahre unter Prof. Erna Duhm, dann unter Prof. Anke Ehlers und schließlich unter Prof. Birgit Kröner-Herwig. In seiner Lehre vertrat er bereits sehr früh und durchgehend einen empirischen, wissenschaftlich begründeten Ansatz in klinischer Diagnostik, klinischer Intervention und Psychotherapieausbildung. Auch wenn das seine Kerngebiete waren, ging seine Lehre deutlich darüber hinaus. Beispielsweise lehrte er Testtheorie oder auch Gutachtenerstellung, z. B. im Rahmen von Kindeswohl- und Sorgerechtsbegutachtungen. Immer waren seine Lehrveranstaltungen geprägt von einer reflektierten, durchaus (selbst-)kritischen Haltung, basierend auf empirischen, wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Um psychologische Anwendungsbereiche in der Darstellung nicht nur theoretisch durchzusprechen, sondern auch mit einer persönlichen Erfahrungsbasis zu untermauern, stellte er regelmäßig eigene von ihm therapierte Fälle in der Lehre vor. Auch sorgte er dafür, die Anwendungsmöglichkeiten klinisch psychologischer Intervention breit darzustellen, indem er z. B. seine Tätigkeit als Sachverständiger in Gerichtsverhandlungen heranzog. Noch wichtiger war vermutlich seine langjährige Tätigkeit als Supervisor, die zu einer soliden pychotherapeutischen Ausbildung in Göttingen weit über das Psychologiestudium hinaus beitrug - für viele! Bezeichnend für ihn war dabei, dass er sich selbst bis zum Ende seiner praktischen psychotherapeutischen Tätigkeit und weit in den Ruhestand hinein regelmäßig in kollegialem Kreis an Supervisionen beteiligte, um sein eigenes Handeln zu reflektieren.
Nicht nur organisatorisch trug er maßgeblich bei zum Aufbau der Poliklinischen Institutsambulanz für Forschung und Lehre sowie des psychotherapeutischen Beratungszentrums (TBZ) und zur Etablierung des "Weiterbildenden Studiengangs Psychologische Psychotherapie" (WSPP).
Sowohl innerhalb der Universität aber auch weit darüber hinaus engagierte er sich als Dozent und Supervisor an mehreren staatlich zugelassenen Ausbildungsstätten (DGVT, WSPP, AWKV). Er war Mitglied der Anerkennungskommission der DGVT seit 1996 (Zertifizierungen, Zusatzbescheinigungen). In seinem berufspolitischen Fokus stand die Qualitätssicherung in Ausbildung und Psychotherapie. Dieses Engagement drückt sich auch in Mitgliedschaften und aktiver Mitarbeit in verschiedenen Fach- und Berufsverbänden aus: DGVT (Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie), DGPs (Deutsche Gesellschaft für Psychologie), DVT (Deutscher Fachverband für Verhaltenstherapie).
Er hielt auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst kontinuierlich Kontakt zum Institut und war sehr interessiert an allen Entwicklungen, ganz besonders natürlich der Klinischen Psychologie in Göttingen.
Bei all seinen Tätigkeiten war er immer sehr reflektiert, durchaus kritisch, dabei immer konstruktiv, interessiert, zugewandt und wohlwollend.
Am 6. Oktober 2024 verstarb er nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 80 Jahren.
Er hinterlässt eine große Zahl von Menschen, die ihm sehr viel verdanken und die ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unser Mitgefühl gehört der Familie und den Angehörigen.
Peter Zezula