Flip
Beim Leseerwerb (zumindest in Sprachen, die mit dem lateinischen Alphabet geschrieben werden) müssen Kinder lernen, dass die Links-Rechts-Orientierung von Buchstaben wichtig ist (z. B. ist der Buchstabe "b" anders als der Buchstabe "d"). Dazu müssen sie eine Tendenz unterdrücken, vertikale (links-rechts) Spiegelungen von Buchstaben zu produzieren. Diese Tendenz basiert auf der grundsätzlichen Veranlagung des visuellen Systems, zwei Objekte ähnlich zu behandeln, auch wenn sie sich in ihrer vertikalen Orientierung unterscheiden (z.B. das Erkennen eines Gesichts in einem Spiegel). Interessanterweise deuten neuere Forschungen darauf hin, dass selbst bei geübten erwachsenen Lesern, Spiegelkonfusionen den Leseprozess weiterhin auf einer unbewussten Ebene beeinträchtigen. Mit anderen Worten: Es scheint, dass Erwachsene während der frühen und automatischen Phasen der visuellen Worterkennung, unbewusst Buchstaben und ganze Wörter spiegeln. Die genauen Mechanismen, die Buchstabenspiegelungen beim Lesen zugrunde liegen, sind jedoch bisher nicht vollständig geklärt.
In Flip verwenden wir Methoden wie Reaktionszeitmessung in Kombination mit maskiertem Priming sowie Eye-Tracking, um den Einfluss von Spiegelkonfusionen auf die Verarbeitung von Buchstaben, Wörtern und ganzen Sätzen zu untersuchen. Wir führen Experimente durch, bei denen die Teilnehmer*innen verschiedene Aufgaben, wie das Erkennen von Wörtern oder das Lesen von Sätzen, die in verschiedenen Spiegelschriften geschrieben sind, durchführen.
Dadurch können wir zwei ungelöste Fragen beantworten: Wie werden Wörter erkannt, wenn sie gespiegelt sind? Und spiegeln geübte, erwachsene Leser während des Lesens unbewusst Buchstaben und Wörter?
Sie sind neugierig geworden und möchten mehr über das Projekt erfahren? Möchten Sie als VersuchsteilnehmerIn an der Studie teilnehmen? Dann kontaktieren Sie Katharina Pittrich. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören!
Literatur:
Dehaene, S., Cohen, L., Morais, J., & Kolinsky, R. (2015). Illiterate to literate: Behavioural and cerebral changes induced by reading acquisition. Nat. Rev. Neurosci., 16 (4), 234-244. doi: 10.1038/nrn3924
Dehaene, S., Nakamura, K., Jobert, A., Kuroki, C., Ogawa, S., & Cohen, L. (2010). Why do children make mirror errors in reading? Neural correlates of mirror invariance in the visual word form area. Neuroimage, 49 (2), 1837-1848. doi: 10.1016/j.neuroimage.2009.09.024
Duñabeitia, J. A., Molinaro, N., & Carreiras, M. (2011). Through the looking-glass: Mirror reading. Neuroimage, 54 (4), 3004-3009. Retrieved from http://dx.doi.org/10.1016/j.neuroimage.2010.10.079 doi:10.1016/j.neuroimage.2010.10.079
Perea, M., Moret-Tatay, C., & Panadero, V. (2011). Suppression of mirror generalization for reversible letters: Evidence from masked priming. J. Mem. Lang., 65 (3), 237-246. doi: 10.1016/j.jml.2011.04.005