Forschung
Psychologische Forschung möchte den Menschen besser verstehen und ich finde es besonders spannend, wie der Mensch in seiner persönlichen Weiterentwicklung unterstützt werden kann.
Bisherige eigene Forschung
Prosozialität und Lebenszufriedenheit
In bisheriger eigener Forschung zeigte sich, dass antisoziale Gedanken und Verhaltensweisen mit weniger Lebenszufriedenheit verbunden sind (Volmer, Koch & Wolff, 2019) und dass bei solchen jungen Erwachsenen, die sich nicht in Richtung einer prosozialeren Persönlichkeit entwickeln, zeitgleich ihre Lebenszufriedenheit sinkt (Wolff & Wetzel, 2023, preregistered, data, code).
Veränderbarkeit von Lebenszufriedenheit
Die natürliche systematische Veränderung der Lebenszufriedenheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigt sich insgesamt als sehr abhängig von Einflüssen jenseits genetischer Veranlagungen (Mischner & Wolff, 2023/in prep, preregistered, code) — was auch für Lernmotivation als einen Treiber persönlicher Weiterentwicklung gilt (Wolff et al., in prep).
Stellenwert von Prosozialität
Zusätzlich zu den Vorteilen von Prosozialität für das handelnde Individuum selbst ist Prosozialität auch aus vielen weiteren Gründen wichtig.
In beruflichen Kontexten kann Kooperation das Wohlergehen von Gruppe und Organisation sichern (Wolff & Keith, 2019). In Bezug auf Klimaschutz geht Prosozialität mit weniger CO2-Emissionen hinter dem eigenen Konsumverhalten einher (Rox, 2023; Wolff & Rox, 2023, preregistered).
Für viele Gruppen von Menschen kann Prosozialität Vorteile bedeuten. Mehr Wertschätzung von Kooperation könnte beispielsweise zu höherer Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen beitragen (Wolff & Keith, 2019). Und die Reduktion diskriminierender Verhaltensweisen gegenüber Personen mit trans-, inter- und nichtbinärer Geschlechtsidentität kann Betroffenen ein hohes Ausmaß an Belastung ersparen (Wolff & Spretz, laufend).
Jenseits von Prosozialität habe ich Befunde zur Effektivität von aktivem und explorierendem Lernen integriert (Keith & Wolff, 2015), computerbasierte Ansätze zur Diagnostik von komplexem Problemlösen verglichen (Greiff, Stadler, Sonnleitner, Wolff & Martin, 2015, 2017), aufschiebendes Arbeitsverhalten multimethodal untersucht (Wolff, Rist, Back & Keith, 2014, in prep) sowie die Rolle soziokultureller Schönheitsideale für Körperbild und Essverhalten untersucht (Wolff, rejected@IJED in 2013).
Zukünftige inhaltliche Forschung
Als Fernziel meiner Forschung finde ich es sehr erstrebenswert, einen Beitrag dazu leisten zu wollen, den Menschen in seiner Entwicklung zu unterstützen — in eine Richtung, die dem Individuum selbst gut tut und gleichzeitig für andere ebenfalls gut ist.
Gemeint ist nicht, sich aufzuopfern oder ausnutzen zu lassen. Im Einzelfall spielen immer auch persönliche Bewertungsprozesse und Rahmenbedingungen eine moderierende Rolle. Grundsätzlich können Menschen Engagement für prosoziale Ziele als sinnstiftend und verbindend erleben. Es kann außerdem ein wichtiger Treiber gesellschaftlicher Weiterentwicklung sein.
Die konkrete Umsetzung haben wir mit einem Online Formular begonnen, welches Käufe von Konsumgütern sowie Ausgaben für Freizeitaktivitäten erfasst und die damit verbundenen CO2-Emissionen schätzt (Rox, 2023; Wolff & Rox, 2023, preregistered). Aktuell läuft der Entwicklung einer Version mit Rückmeldung in Echtzeit. Diese zeigt den Nutzenden zudem auf sie abgestimmte Vorschläge an, welche alternativ möglichen Verhaltensweisen für sie interessant und attraktiv sein könnten (laufende Bachelorarbeiten von Hopfe & Rasche). Immer wenn es um die bewusste Gestaltung von eigenem Verhalten geht, spielen auch motivationale Faktoren eine Rolle. Deshalb untersuchen wir die Bedeutsamkeit verschiedener Abwehrreaktionen (Vorarbeit mit Schwarz, laufende Bachelorarbeit von Anklam), um darauf aufzubauen und die passende motivationale Unterstützung anbieten zu können.
Klimafreundliches Verhalten ist nur ein Lebensbereich von vielen, in denen prosoziales Verhalten zentral sein kann. Menschliche Vielfalt (z. B. hinsichtlich Geschlecht, Herkunft, Alter, Gesundheit, Behinderung, sexueller Orientierung oder familiärer und wirtschaftlicher Verhältnisse) erfordert Sensibilität und den gemeinsamen Einsatz für Rahmenbedingungen, unter denen möglichst alle die Chance bekommen, in ihrem Leben aufzublühen. Das Spektrum des weiteren Forschungsbedarfs scheint sehr groß zu sein.
Angesetzt werden kann bspw. bei der Stärkung von Ressourcen für selbstgesteuerte Entwicklungsprozesse aller Gesellschaftsmitglieder, bei der Offenlegung und Reduktion nicht legitimer Ungleichgewichte hinsichtlich struktureller Machtverhältnisse, beim Verständnis von Barrieren und Ansatzpunkten zur Verbesserung institutioneller Rahmenbedingungen (z. B. vermittelt über individuelle politische Überzeugungen) sowie bei Angeboten zur direkten Unterstützung von Betroffenen.
Zukünftige methodische Forschung
Reliabilität
Als Diagnostiker beschäftige ich mich viel mit Messungen und ihrer Nutzung beim Verfolgen inhaltlicher Ziele. Bereits eine der grundlegendsten Eigenschaften von Messungen — ihre Zuverlässigkeit bzw. Reliabilität — scheint bezüglich der Komplexität wichtiger sie beeinflussender Faktoren noch nicht von allen Zielgruppen ausgewogen verstanden zu sein. Gängige Methoden für die Schätzung der Reliabilität von „breiten“/heterogenen (vs. engen/homogenen/spezifischen) Konstrukten (z. B. α) können eine systematische Unterschätzung von Reliabilität erwarten lassen (laufende Bachlorarbeit von Dutke). Zeitgleich existieren viele Ursachen für starke Überschätzungen von Reliabilität (überlappend mit dem Phänomen systematischer Methodenvarianz gemäß Podsakoff et al., 2003), die bei Interpretationen von Reliabilitätsschätzungen und darauf basierenden Qualitätsbeurteilungen von Messinstrumenten überraschend selten thematisiert werden. Beides kann die psychologische Theorienbildung negativ beeinflussen, weil spezifischere Konstrukte mit hoch scheinenden Reliabilitätsschätzungen oder/und mit Methodenvarianz (die gleichzeitig zudem Verbindungen zu Outcomes aufblähen kann), bevorzugt werden könnten gegenüber komplexeren und schwerer zugänglichen Konstrukten, die aber potenziell ein bislang unberücksichtigtes Puzzlestück beitragen würden und kausalen Erklärungswert hätten. Über die Schnittmenge aus hochaufgelöster konzeptueller Arbeit, innovativen Messansätzen und belastbaren multimethodalen Studiendesigns möchte ich mit daran arbeiten, bestehende Mängel besser sichtbar zu machen und Lösungsansätze zu explorieren.
Prognosemodelle
Manchmal wollen oder müssen wir die Zukunft vorhersagen — auch in der Psychologie, z. B. wenn Entscheidungen über die Besetzung einer offenen beruflichen Position auf Basis der für verschiedene Bewerber*innen vorhergesagten Passung getroffen werden soll. Oft können nicht einfach vorhandene Regressionsgewichte genutzt werden, weil das jeweilige Vorgehen im konkreten Fall individuell ist (z. B. vom Schwerpunkt und bzgl. der Gestaltung einer Untersuchung) und weil generalisierbare, fertig entwickelte Modelle fehlen. Einschlägige Standards (z. B. die DIN-Norm 33430) fordern eine anforderungsbezogene Weiterverarbeitung der erfassten Informationen. Eine Literatursuche nach Anleitungen oder Beispielen für die quantitative Kombination verschiedener Informationsquellen liefert jedoch wenig zufriedenstellende Ergebnisse.
Forschungsbedarf sehe ich hier darin, einerseits die Vor- und Nachteile bereits etablierter Vorgehensweisen klarer zu verdeutlichen und andererseits Alternativen vorzustellen, die es erlauben, die Schwächen existierender Vorgehensweisen zu vermeiden. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist es, kontinuierliche Prädiktorvariablen nicht künstlich zu dichotomisieren durch intuitiv gewählte Mindestschwellenwerte. In einem Modell mit weiteren Prädiktoren kann hieraus ein substanzieller Informationsverlust resultieren und eine theoretische Fundierung fehlen (eigene Simulationsstudie, von Domazet begonnen). Die bessere Alternative kann es sein, das kompensatorische Vorgehen der multiplen Regression in Fällen mit guter Begründung um Interaktionseffekte zu erweitern (um den gewünschten Effekt zu erzielen, dass andere Prädiktoren ihre Bedeutung verlieren, je geringer ein „essenzieller“ Prädiktor ausgeprägt ist).
Wann immer mehrere Prädiktoren quantitativ kombiniert werden, braucht es Regeln für ihre Verrechnung. Das vermeintlich einfache Vorgehen, alle Informationen „gleich“ zu gewichten, erzeugt erstens nur dann den gewünschten Effekt, wenn alle Prädiktoren miteinander unkorreliert sind oder zufällig alle exakt gleich hoch miteinander korrelieren. Ansonsten bilden sich Komponenten, die entgegen einer intendierten Gleichgewichtung faktisch ein höheres Gewicht haben. Zweitens könnte nach dem Ansatz keine höhere Gewichtung für wichtigere Prädiktoren vergeben werden. Eigene Simulationsstudien zeigen, dass es keine großen Stichprobengrößen braucht, damit die potenziellen Vorteile einer Ungleichgewichtung ihre Risiken überwiegen. Schlussendlich wäre es bei der Kombination von Prädiktoren auch wünschenswert, die Outcome-Variablen in einer interpretierbaren Metrik vorhersagen zu können. Das ist nicht möglich, wenn man als Regressionsgewichte „1“ vergibt oder willkürlich gewählte Ganzzahlen. Stattdessen kann und sollte — noch immer in Abwesenheit empirisch ermittelter Regressionsgewichte, die für den vorliegenden Fall passen — die Überlappung der Prädiktoren untereinander und mit dem Outcome ermittelt werden (z. B. durch empirisch informierte Schätzungen) und auf dieser Basis mittels Matrixalgebra die Gewichte für die multiple Regression errechnet werden.
Anknüpfend an dieses „Herzstück“ eines Prognosemodells — die Kombination bzw. Gewichtung der Prädiktoren — ergeben sich viele weitere Fragestellungen. Ein jeweiliges Forschungsdesign würde dabei im Rahmen einer Simulationsstudie vergleichen, wie viel Genauigkeit (zzgl. etwaiger weiterer Vor- und Nachteile) durch eine Optimierung der Vorgehensweise gewonnen werden kann und sollte zusätzlich auch im Rahmen eines kleinen Tutorials beispielhaft aufzeigen, wie das vorgestellte Vorgehen konkret umgesetzt werden kann. Zu diesen Fragestellungen zählt u. a. ein differenzierter Umgang mit der Reliabilität (siehe oben) von Prädiktoren mit einem besonderen Schwerpunkt auf der expliziten Berücksichtigung systematischer Methodeneinflüsse. Eine höhere Trennbarkeit zwischen Operationalisierung und Konstrukt — möglichst auch in den Designs empirischer Studien — kann die Unabhängigkeit unsere theoretischen Konstruktverständnisses stärken und es vor übermäßigen Einflüssen durch die Eigenheiten populärer Operationalisierungen schützen. Darüber hinaus sollte auch die Betrachtung und Modellierung von Outcome-Variablen möglichst differenziert erfolgen. In der Literatur sind oft solche Aspekte hoch repräsentiert, die sich vergleichsweise leicht messen lassen (z. B. Selbst- oder Fremdeinschätzungen von Arbeitsleistung oder Führungskompetenz). Dabei kommt es aber natürlich einerseits zu systematischen Verzerrungen durch jegliche Grenzen der subjektiven Urteilsfähigkeit (Kontamination) und andererseits fehlen dann auch wichtige Aspekte, die für Beurteilende gar nicht erkennbar sein können (Defizienz). Je genauer prognostische Modelle werden sollen, desto wichtiger ist es, dass sie auf eine Literatur mit empirischen Studien zurückgreifen können, die Outcome-Variablen differenziert betrachten und die sich metaanalytisch dann auch mit präziserer Auflösung integrieren lässt.