SOTOS - Silent Operating Theatre Optimisation System

 

Weniger Stress im OP durch Geräuschminderung?

Gemeinsame Forschung von PsychologInnen und MedizinerInnen der Universität Göttingen

 

Die Spritzenpumpe piept, der Sauger und die Herz-Lungen-Maschine verrichten geräuschvoll ihre Arbeit. Eine medizinische Fachkraft reißt eine Packung zusätzlich benötigten Materials  auf, um es steril anzureichen.

Im ersten Moment erscheint die Geräuschkulisse im OP als ein kontinuierliches lautes Rauschen. Erst nach einiger Zeit lassen sich das Piepen des Monitors oder das Geräusch des Saugers voneinander unterscheiden. Es ist so laut, als wäre man in einer Fabrikhalle oder an der Autobahn.

Die Lärmwerte im OP summieren sich auf durchschnittliche Werte über 70 Dezibel SPL. Das haben Oberarzt Dr. Martin Friedrich und sein Team gemessen. An den komplexen Prozessen bei einer Operation am offenen Herzen sind viele medizinische Hightech-Geräte notwendig. Diese verursachen Geräusche, welche sich zu solch enormem Lärm anhäufen. „Wir hatten Spitzenpegel über 100 Dezibel, aber auch im Schnitt ist es im OP lauter als an der Autobahnausfahrt Göttingen“, so Dr. Friedrich. Das können wir mit Langzeitmessungen belegen.

Daraufhin entwickelte er ein System, das den Lärm im OP aktiv und passiv bekämpfen soll: das Silent Operating Theatre Optimisation System, kurz SOTOS.

„Als wir SOTOS zum ersten Mal während einer Herzoperation genutzt haben, kam es mir viel ruhiger und auch weniger belastend vor“, berichtet Oberarzt PD Dr. Sebastian Russo von der Klinik für Anästhesiologie (AINS), „und ob dieser subjektive Eindruck auch objektiv stressentlastend und positiv auf die Mitarbeiter_innen im OP und unsere Patient_innen wirkt, wollen wir wissenschaftlich untersuchen.“

Deshalb arbeiten nun Ärzt_innen und Psycholog_innen gemeinsam daran zu erforschen, welche Auswirkungen SOTOS im Vergleich zu herkömmlichen Operationsbedingungen auf das Stresserleben und die kognitive Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter_innen hat. „Außerdem schauen wir uns an, wie sich Team-Erleben und Kommunikationsverhalten unter dem Einfluss des Systems verändern“, erläutert Prof. Dr. Margarete Boos. Sie ist Leiterin der Abteilung für Kommunikations- und Sozialpsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen.

Langfristig interessiert die Göttinger Psycholog_innen und Mediziner_innen, ob die lärmreduzierende Technik auch das Wohlergehen der Patienten unterstützt. Das werden sie anhand der postoperativen Effekte untersuchen. „Wir wollen herausfinden, wie die Lärmreduktion sowohl beim Personal als auch bei den Patienten wirkt“, so Dr. Friedrich.

Dass Lärm während einer Operation für die Patient_innen schädlich sein kann, haben die Untersuchungen der Schweizer Psycholog_innen Julia Seelandt, Franziska Tschan und Norbert Semmer bereits gezeigt (Tschan et al., 2015; Seelandt et al., 2014).  In ihren Studien entdeckten sie einen Zusammenhang zwischen Lärmbelastung im OP und der Anzahl postoperativer Entzündungen.

„SOTOS könnte also auch Auswirkungen auf die Patientensicherheit und vielleicht auch auf den Medikamentenbedarf für die Narkose haben“, erklärt Dr. Martin Friedrich.

 

Veröffentlichungen

Vorträge