HoneyComb© - Führen und Folgen in Gruppen: ein experimentelles Paradigma

Führungsverhalten in der Bienenwabe – das HoneyComb©-Projekt an der Universität Göttingen

Zwölf Menschen sitzen an Computern. Trennwände zwischen ihnen verhindern jegliche non-verbale und Ohrstöpsel die verbale Kommunikation. Auf den Bildschirmen sehen sie schwarze Punkte auf einem virtuellen Spielfeld. Es hat die Form eines großen Sechsecks – ein Spielfeld aus Bienenwaben. Die Spieler:innen sind Proband:innen in einem kommunikationspsychologischen Experiment der Universität Göttingen.

Sozial- und Kommunikationspsychologin Prof. Dr. Margarete Boos vom Georg-Elias-Müller-Institut erforscht mit ihrem Team das Entstehen von Führungsverhalten in Menschengruppen. „Das HoneyComb-Paradigma bietet hervorragende Bedingungen, um zu untersuchen, wie Menschen in Gruppen führen und folgen. Mit seiner Hilfe können wir jegliche Kommunikation zwischen den Teilnehmenden wegschalten, so dass das reine Bewegungsverhalten der Spieler:innen auf dem Feld isoliert betrachtet werden kann. So kommen wir einfachen Verhaltensmustern und Koordinationsmechanismen auf die Spur“, erklärt Boos die Ziele des Projekts.

Das Paradigma erlaubt es, die basalen Mechanismen zu untersuchen, die Führung hervorbringen – und das ist nicht nur für die Forschung sondern auch gesellschaftlich relevant. Überall dort, wo zwischenmenschliche Kommunikation gestört oder verhindert ist, greifen möglicherweise diese grundlegenden Verhaltensmuster. Wenn beispielsweise bei großen Menschenansammlungen die Situation eintreten sollte, dass Kommunikation nicht mehr möglich ist, greifen wir auch als Menschen auf einfache Verhaltensregeln, z.B. Imitation und wechselseitige Verhaltensanpassung, zurück. Kommt etwa hohe Unsicherheit in der Gruppe hinzu, indem Menschen bei Massenveranstaltungen beispielsweise den Fluchtweg nicht kennen, was passiert dann? Solche und viele weitere Fragen lassen sich mittels der HoneyComb-Experimente untersuchen.

Bei vielen Arten kennt man die Muster des Führens und Geführtwerdens bereits. Das Team ist auf der Suche nach Mechanismen des Führens und Folgens als universale kultur- und artunabhängige Grundmuster. Das wäre ein großer Fortschritt für die Sozialpsychologie aber auch die Gesellschaft, die dank der Experimente im HoneyComb mehr über die Entstehung von Gruppenbewegungen wissen wird.

 

HoneyComb©

Sowohl Menschen als auch in Gruppen lebende Tiere koordinieren ihre Aktivitäten, um die Kohäsion ihrer Gruppen aufrechtzuerhalten und gemeinsame Probleme zu lösen. Wenn wir die biologische Kontinuität dieser grundlegenden Anforderungen anerkennen, bietet uns die Untersuchung von Gruppen menschlicher als auch nicht-menschlicher Primaten die Möglichkeit, basale Funktionen und Mechanismen der Gruppenkoordination zu identifizieren und möglicherweise einzigartige Aspekte der Koordination in menschlichen Gruppen zu beleuchten.

In der Zusammenarbeit mit Kolleg:innen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen (Biologie, Psychologie, Physik, Informatik) beschreiben wir Mechanismen, mit denen Gruppen ihre Handlungen synchronisieren und koordinieren. Ziel ist die Entwicklung eines allgemeinen Modells der Gruppenkoordination, das sowohl prozedurale (z.B. Kommunikation) als auch strukturelle Parameter (z.B. ökologische Bedingungen und Ressourcen) umfaßt.

Unser experimentelles Paradigma wird mit der Software HoneyComb© umgesetzt. Es handelt sich dabei um ein computergestütztes multi-client Spiel, in dem Spieler:innen sich per Mausklick auf einem virtuellen Spielfeld bewegen. Ziele, monetäre Anreize und andere experimentelle Bedingungen können gesetzt werden, um menschliches Bewegungsverhalten und dessen Koordination und Führung zu untersuchen.

 

Im HoneyComb©-Paradigma können viele Spielparameter variiert werden. Spieler:innen können in individuellen Farben und Größen dargestellt werden, auch Sichtradius und Anreize/Informationen können verschieden sein.

In der folgenden Präsentation können Sie einige Anwendungen des Paradigmas sehen:

 

 

 

 

Im Experiment kontrolliert jede:r Teilnehmer:in per Maus-Klicks seinen/ihren Avatar auf dem Spielfeld. Der eigene Avatar ist doppelt so groß wie die der anderen Spieler. Ein "Schwänzchen" zeigt die Richtung an, aus der die:der Spieler:in kommt. Es verschwindet nach vier Sekunden Inaktivität.

Das Bild oben rechts zeigt die Perspektive des/der roten Spieler:in. Der Sichtradius des/der Spieler:in ist auf ein Feld begrenzt. Das heißt, dass die schattierten Avatare für diese:n Spieler:in nicht sichtbar sind. Zwei der Spieler:innen (Minorität) sehen auf dem Feld links außen zwei Euro (größerer monetärer Anreiz), die übrigen acht SpielerInnen (Majorität) sehen nur einen (für eine vergrößerte Ansicht auf das Bild klicken).

 

 

HoneyComb 2

 

 

Die beiden folgenden Videos verdeutlichen den Ablauf eines Experiments (Boos, Pritz, Lange and Belz 2014):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Video 1: Kollektive Bewegung der Gruppe aus der Perspektive eines/einer Spielers/Spielerin der Majorität (für eine vergrößerte Ansicht klicken Sie auf "Vollbild" - zwei Pfeile).


 

Video 2: Kollektive Bewegung derselben Gruppe (Video 1), aus der Perspektive eines/einer Spielers/Spielerin der Minorität (links) und eines/einer Spielers/Spielerin der Majorität (rechts).

 

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