Nachgefragt 4

Nachgefragt 4


Sarah holt einmal tief Luft und schaut zu Tobi rüber. "Los Sarah, trau dich doch und erzähl der Expertin die Geschichte", sagt Tobi aufmunternd.

Die Expertin schaut Sarah lächelnd an: "Was ist los, Sarah, ich bin sicher, wir können ge2_1.gifmeinsam eine Lösung finden."

Sarahs gerunzelte Stirn verschwindet und ein Lächeln macht sich auf ihrem Gesicht breit. Jetzt erzählt sie der Expertin die ganze Geschichte. Die Expertin schaut Sarah aufmerksam an und hört ihr genau  zu.

Als Sarah mit dem Erzählen der ganzen Geschichte fertig ist, seufzt sie noch einmal tief. Sie fühlt sich ein Stück erleichtert und ein wenig besser.

 

"Und ich habe ihr dann geraten, dass sie sich bei Sandra entschuldigen sollte, weil es dann bestimmt beiden gleich viel besser gehen wird", sagt Tobi. Beide schauen die Expertin an.


Unsicherheit


Die Expertin erklärt: "Das ist ein sehr wichtiges Thema, und ich bin froh, dass du mir deine Geschichte erzählt hast. Es geht dabei um Sich-unsicher-fühlen, dass jeder kennt. Damit ist gemeint, dass man beispielsweise keine Fragen stellt, obwohl man etwas fragen möchte, oder man nicht antwortet, wenn man die richtige Antwort auf eine Frage weiß. Ein Grund dafür ist oftmals, dass man sich nicht traut, Angst hat, etwas Falsches zu 2_2.gifsagen oder von anderen abgelehnt und gar für dumm gehalten zu werden. Wenn man unsicher ist, dann vermeidet man auch häufig, dem Gesprächspartner in die Augen zu sehen und ist zurückhaltend gegenüber anderen. In Situationen, in denen man unsicher ist, nimmt man oft auch eine ganz verkrampfte Haltung ein. Ich bin sicher, Ihr kennt das."

Tobi und Sarah hören gespannt zu. Sarah denkt an das gestrige Treffen mit Özlem und Lena und bemerkt, dass sie tatsächlich Angst hatte, dass Özlem und Lena sie ablehnen könnten oder gar auslachten, wenn sie Sandra verteidigt. Nur deshalb lästerte Sarah mit.

Auch Tobi denkt an eine Situation, die noch gar nicht so lange her ist. Als er das letzte Mal mit seinen Freunden aus der Klasse auf der Kirmes war, wollten ihn die anderen dazu überreden, mit der neuen 4-Looping-Achterbahn zu fahren. Tobi erinnert sich daran, dass er sich nicht richtig traute, weil die Achterbahn verdammt groß aussah. Er hatte gar keine Lust zu fahren, aber wollte nicht nein sagen, weil er Angst hatte, dass die anderen ihn dann für ein Baby halten würden. Er fühlte sich in dieser Situation richtig doof.

Die Expertin fährt fort: "Die Angst, etwas Falsches zu sagen oder sich vor anderen lächerlich zu machen, bringt uns dazu, etwas zu tun, was man nicht will. Besonders wichtig ist, dass Unsicherheit zu dem führt, was wir bereits besprochen haben. Man denkt dann so etwas wie "ich blamiere mich, wenn ich etwas sage" oder einen Gedanken wie "die müssen mich alle blöd finden."

"Stimmt", sagt Sarah, "Ich hatte Angst, etwas zu sagen, was die anderen doof finden würden. Ich wollte nicht, dass Özlem und Lena schlecht über mich denken. Mir war schon klar, dass das Lästern nicht nett war. Danach konnte ich mich selbst nicht mehr leiden, schließlich ist Sandra meine Freundin. Ich habe mich richtig dumm verhalten. Also noch mal will ich das nicht."


Selbstsicher sein!


"Genau deshalb ist es wichtig, dass man sich selbst dazu ermuntert, selbstsicher zu sein und zu sich selbst zu stehen. Damit man in solchen Situationen nicht aus Unsicherheit irgendwelche Dummheiten macht", erklärt die Expertin. "Durch mehr Selbstsicherheit fühlt man sich besser. Das bedeutet natürlich auch weniger Stress und wie ihr bereits wisst - somit auch weniger Kopfschmerzen", fügt die Expertin hinzu.

"Ich kenne da einen in meiner Klasse", erzählt Tobi hastig, "der ist total selbstsicher. 2_3.gifManchmal wünsche ich mir, ich wäre auch ein wenig mehr wie er."

"Wie macht er das denn so, Tobi, erinnerst du dich an Beispiele? Dann könnten wir besser verstehen, wie man selbstsicher werden kann", fragt die Expertin.

"Hm, mal überlegen. Na klar, er ist selbstsicher, wenn er mutig ist, und sich traut beim Sport als Erster über den Bock zu springen. Wenn er sich traut, den Lehrer zu fragen, ob er ihm die Aufgabe in Mathe noch mal erklären könnte. Das würde ich nie tun, denn ich hätte Angst, dass alle annehmen würden, ich wäre dumm. Aber bei ihm käme keiner auf die Idee, sondern alle finden ihn super cool."

"Also mir fällt da auch was ein", sagt Sarah, "meine Cousine Tina. Die ist auch selbstsicher. Sie traut sich auch mal Nein zu sagen, wenn sie keine Lust hat, sich mit jemanden zu verabreden und lässt sich nicht immer alles gefallen. Was ich richtig gut und selbstsicher finde, ist, dass sie sich auch mal entschuldigen kann, wenn sie was falsch gemacht hat. Genau wie letzte Woche, da habe ich bei meiner Tante angerufen und Tina ist ans Telefon gegangen. Sie hatte auf der Couch geschlafen und war durch das Telefon wach geworden. Da hat sie mich aber am Telefon angemacht. Ich würde ihr auf den Keks gehen und so. Ich fand das total ungerecht und habe dann irgendwann aufgelegt, weil mit ihr ja gar nicht zu reden war. Nach 10 Minuten rief sie mich dann aber noch mal an und entschuldigte sich bei mir. Das fand ich richtig klasse von ihr."

Die Expertin ist sehr angetan: "Das sind sehr gute Beispiele. Genau das heißt selbstsicher sein, um Hilfe bitten können, wenn ihr an einer Stelle nicht weiter kommt. Oder auch mal Nein sagen, wenn etwas gegen eure Bedürfnisse oder Wünsche geht und riskieren, dass die Freunde auch mal kurzfristig sauer auf euch sind. Das ist nicht so leicht, gerade dann, wenn jemand eine ganz andere Meinung hat."


Sarah und Tobi grinsen stolz. Die Expertin fährt fort: "Es ist besser, eure 2_4.gifMeinung zu sagen, als etwas zu tun, was ihr überhaupt nicht möchtet. Besonders wenn es Freunde sind, die einem wichtig sind, gehört da eine ganze Portion Mut dazu. Aber langfristig wissen eure Freunde dann, dass ihr wißt, was ihr wollt und dazu auch steht. Selbstsicher zu sein heißt ja nicht, dass man alles immer richtig machen muss, aber man kann dann eben zugeben, dass man etwas falsch gemacht hat, genau wie deine Cousine Tina."

"Hm", sagt Tobi, "das werde ich mir mal vornehmen, klingt doch gar nicht so schwer und kompliziert, wie ich dachte. Das ist bestimmt nicht so schwer."

"Ja, ich finde das ist eine gute Idee", fügt die Expertin hinzu, "übt das Selbstsichersein auch in verschiedenen Situationen. Also zum Beispiel, dass ihr eine andere Meinung habt als andere und diese auch mitteilt, oder zugebt, dass ihr etwas falsch gemacht habt und euch entschludigt, so wie sich Sarah dies bei Sandra vorgenommen hat. Ihr werdet sehen, dass es funktioniert."

"Und ich weiß auch schon genau, wenn ich zu Hause bin, werde ich erstmal Sandra anrufen, ihr alles erklären und mich entschuldigen", sagt Sarah.


Passives und aggressives Verhalten


"Wir sind nun schon fast am Ende unserer Zeit. Wir haben viel darüber gesprochen, was selbstsicheres Verhalten sein kann", sagt die Expertin.

"Lasst uns mal gemeinsam überlegen, welches Verhalten neben der Unsicherheit noch wenig selbstsicher ist. 2_5.gifMan kann sich zum Beispiel passiv verhalten, das heißt, man läßt andere für sich entscheiden, hält lieber den Mund, sagt nie Nein, zieht sich zurück und gibt klein bei oder läßt sich leicht zu etwas überreden. Wenn man sich so verhält, ist man ebenfalls nicht selbstsicher, man schluckt alles herunter. Stress und Kopfschmerzen sind auch hier mögliche Folgen.

Das Gegenteil von passivem Verhalten ist aggressives Verhalten. Das bedeutet, man kümmert sich nicht um das, was andere denken und das führt häufig zu Spannungen und Konflikten mit anderen Menschen. Solches Verhalten führt dann zum Beispiel dazu, dass man heftigen Ärger anderer Mitmenschen auf sich zieht oder sogar langfristig nicht gemocht wird. Aggressives Verhalten bedeutet, dass man seine Sachen verfolgt, ohne jede Rücksicht auf andere Menschen. Ein Beispiel dafür wäre gewesen, wenn du, Sarah, Sandra hättest absichtlich verletzen wollen. Du also mit Absicht über sie schlecht geredet hättest. Wenn man sich also so verhält, dann steht man ständig unter Anspannung und ärgert sich und das kann, wie ihr je bereits gelernt habt, die Kopfschmerzen hervorrufen."

Die Expertin schaut auf die Uhr: "So, unsere ist Zeit ist jetzt fast vorbei. Gibt es noch etwas Wichtiges?"

Beide schütteln den Kopf. Sie nehmen sich vor, jetzt genauer darüber nachzudenken, was wirklich selbstsicher ist und was passiv oder aggressiv.

Zum Abschluss schaut sich die Expertin die Kopfschmerztagebücher der letzten Woche von Tobi und Sarah an und bespricht sie noch kurz mit ihnen. Danach verabschieden sie sich voneinander, und Tobi und Sarah gehen nach Hause. Zu Hause angekommen, ruft Sarah sofort Sandra an und entschuldigt sich. Sandra ist sehr erleichtert und freut sich. Beide verabreden sich zum Eis essen.


Nachgefragt 4 als PDF zum Ausdrucken!