Dr. Christian Wolff
Wer in der Wissenschaft arbeitet, darf regelmäßig spannende Dinge lernen. Ich schätze das sehr. Verbunden mit diesem Privileg ist natürlich gleichzeitig auch die Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit, einen nützlichen Gegenwert für die investierten Steuergelder anzustreben.
Wissenschaft hilft dabei, die Komplexität unserer Welt besser zu verstehen und macht dieses Verständnis für die Menschheit zugänglich, so dass wir damit sinnvolle Dinge anstellen können.
In der Forschung bedeutet das für mich, die Schnittmenge aus methodischer Belastbarkeit und inhaltlicher Relevanz anzupeilen.
In der Lehre besteht mein Hauptziel darin, anderen hilfreiche Gelegenheiten anzubieten, ihre eigenen Denk- und Arbeitsgewohnheiten hinsichtlich methodischer, inhaltlicher und sozialer Aspekte weiterzuentwickeln.
Kurz-CV
Nach meinem Psychologiestudium in Münster (2007-2012) habe ich an den Universitäten in Luxemburg, Darmstadt, Bamberg und Magdeburg geforscht und gelehrt, bevor ich 2023 nach Göttingen gekommen bin. Meine Forschung und Lehre kreisten um die Rolle individueller Unterschiede für soziale Interaktionen im beruflichen Kontext.
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Lehre
Bachelor
Im Bachelorstudiengang Psychologie biete ich Seminare an, die in die Anwendung diagnostischer Testverfahren einführen (Diagnostische Verfahren: Leistungs- und Persönlichkeitsmessung). Hierbei geht es zum einen um mechanisches Handwerkszeug wie dem korrekten Umgang mit verschiedenartigen Testmaterialien bei Durchführung und Auswertung. Zum anderen geht es um die Verbindungen zwischen inhaltlichen Fragen aus der Praxis, relevanten psychologischen Konstrukten und verfügbaren Möglichkeiten ihrer sogenannten „Operationalisierung“ (Messung/Erfassung) sowie um die Interpretation aller erfassten Informationen zur Beantwortung der Fragen. Alles zusammen erlaubt den Studierenden, eigenständig Fragen aus der Praxis zielgerichtet und auf aussagekräftige Weise zu beantworten.
Master
Im Masterstudiengang Psychologie biete ich das Modul „Angewandte Diagnostik“ an, das Teil der methodischen Grundlagen für alle Masterstudierenden ist. Wir bereiten uns auf die Situation vor, für einen individuellen Fall — also für einen bestimmten Menschen — eine differenzierte psychologische Prognose vorzunehmen und wählen als Anwendungsgebiet die Besetzung einer Führungsposition. In Kleingruppen suchen sich die Studierenden eine Führungsposition ihrer Wahl aus (z. B. leitende*r Psychotherapeut*in). Dafür existiert kein fertig vorbereitetes Modell, so dass stattdessen alle Gruppen Schritt für Schritt ihr eigenes Vorhersagemodell entwickeln und dabei grundsätzliche Aspekte der multivariaten multiplen Regression berücksichtigen. Ringsherum um den analytischen Kern ihrer Projekte gestalten sie die zugehörigen Untersuchungsabläufe einschließlich konkreter Interviewfragen oder Verankerungen von Verhaltensbeobachtungen. Schlussendlich werten sie simulierte Daten statistisch aus und dokumentieren ihr gesamtes Vorgehen einschließlich ihrer abgeleiteten Handlungsempfehlungen in Form eines prognostischen Gutachens an den*die fiktive Auftraggeber*in. Studierende bewältigen hier ein neuartiges Set von Anforderungen und sammeln Erfahrungen in praxisorientierter Teamarbeit — mit dem Sicherheitsnetz einer engmaschigen Anleitung und Betreuung.
Weitere Angebote
Studiengangsübergreifend konnte ich die Organisation eines Praxistags zur Rolle von Diagnostik in beruflichen Anwendungsfeldern übernehmen. Im Master habe ich das Modul „Statistische Methoden II“ für eine nicht besetzte Abteilungsleitung vertreten und im Bachelor vertrete ich eine neue Veranstaltung zur Vorbereitung auf die Erstellung der Abschlussarbeit. >> Mehr Informationen
Forschung
Psychologische Forschung möchte den Menschen besser verstehen und ich finde es besonders spannend, wie der Mensch in seiner persönlichen Weiterentwicklung unterstützt werden kann.
Bisherige eigene Forschung
Prosozialität und Lebenszufriedenheit
In bisheriger eigener Forschung zeigte sich, dass antisoziale Gedanken und Verhaltensweisen mit weniger Lebenszufriedenheit verbunden sind (Volmer, Koch & Wolff, 2019) und dass bei solchen jungen Erwachsenen, die sich nicht in Richtung einer prosozialeren Persönlichkeit entwickeln, zeitgleich ihre Lebenszufriedenheit sinkt (Wolff & Wetzel, 2023, preregistered, data, code).
Veränderbarkeit von Lebenszufriedenheit
Die natürliche systematische Veränderung der Lebenszufriedenheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigt sich insgesamt als sehr abhängig von Einflüssen jenseits genetischer Veranlagungen (Mischner, 2023; Mischner & Wolff, 2023/in prep, preregistered, code) — was auch für Lernmotivation als einen Treiber persönlicher Weiterentwicklung gilt (Wolff et al., in prep).
Stellenwert von Prosozialität
Zusätzlich zu den Vorteilen von Prosozialität für das handelnde Individuum selbst ist Prosozialität auch aus vielen weiteren Gründen wichtig.
In beruflichen Kontexten kann Kooperation das Wohlergehen von Gruppe und Organisation sichern (Wolff & Keith, 2019). In Bezug auf Klimaschutz geht Prosozialität mit weniger CO2-Emissionen hinter dem eigenen Konsumverhalten einher (Rox, 2023; Wolff & Rox, 2023, preregistered).
Für viele Gruppen von Menschen kann Prosozialität Vorteile bedeuten. Mehr Wertschätzung von Kooperation könnte beispielsweise zu höherer Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen beitragen (Wolff & Keith, 2019). Und die Reduktion diskriminierender Verhaltensweisen gegenüber Personen mit trans-, inter- und nichtbinärer Geschlechtsidentität kann Betroffenen ein hohes Ausmaß an Belastung ersparen (Wolff & Spretz, laufend).
Jenseits von Prosozialität habe ich Befunde zur Effektivität von aktivem und explorierendem Lernen integriert (Keith & Wolff, 2015), computerbasierte Ansätze zur Diagnostik von komplexem Problemlösen verglichen (Greiff, Stadler, Sonnleitner, Wolff & Martin, 2015, 2017), aufschiebendes Arbeitsverhalten multimethodal untersucht (Wolff, Rist, Back & Keith, 2014, in prep) sowie die Rolle soziokultureller Schönheitsideale für Körperbild und Essverhalten untersucht (Wolff, rejected@IJED in 2013).
Zukünftige inhaltliche Forschung
Als Fernziel meiner Forschung finde ich es sehr erstrebenswert, einen Beitrag dazu leisten zu wollen, den Menschen in seiner Entwicklung zu unterstützen — in eine Richtung, die dem Individuum selbst gut tut und gleichzeitig für andere ebenfalls gut ist.
Gemeint ist nicht, sich aufzuopfern oder ausnutzen zu lassen. Im Einzelfall spielen immer auch persönliche Bewertungsprozesse und Rahmenbedingungen eine moderierende Rolle. Grundsätzlich können Menschen Engagement für prosoziale Ziele als sinnstiftend und verbindend erleben. Es kann außerdem ein wichtiger Treiber gesellschaftlicher Weiterentwicklung sein.
Die konkrete Umsetzung haben wir mit einem Online Formular begonnen, welches Käufe von Konsumgütern sowie Ausgaben für Freizeitaktivitäten erfasst und die damit verbundenen CO2-Emissionen schätzt (Rox, 2023; Wolff & Rox, 2023, preregistered). Aktuell läuft der Entwicklung einer Version mit Rückmeldung in Echtzeit. Diese zeigt den Nutzenden zudem auf sie abgestimmte Vorschläge an, welche alternativ möglichen Verhaltensweisen für sie interessant und attraktiv sein könnten (laufende Bachelorarbeiten von Hopfe & Rasche). Immer wenn es um die bewusste Gestaltung von eigenem Verhalten geht, spielen auch motivationale Faktoren eine Rolle. Deshalb untersuchen wir die Bedeutsamkeit verschiedener Abwehrreaktionen (Vorarbeit mit Schwarz, laufende Bachelorarbeit von Anklam), um darauf aufzubauen und die passende motivationale Unterstützung anbieten zu können.
Klimafreundliches Verhalten ist nur ein Lebensbereich von vielen, in denen prosoziales Verhalten zentral sein kann. Menschliche Vielfalt (z. B. hinsichtlich Geschlecht, Herkunft, Alter, Gesundheit, Behinderung, sexueller Orientierung oder familiärer und wirtschaftlicher Verhältnisse) erfordert Sensibilität und den gemeinsamen Einsatz für Rahmenbedingungen, unter denen möglichst alle die Chance bekommen, in ihrem Leben aufzublühen. Das Spektrum des weiteren Forschungsbedarfs scheint sehr groß zu sein.
Angesetzt werden kann bspw. bei der Stärkung von Ressourcen für selbstgesteuerte Entwicklungsprozesse aller Gesellschaftsmitglieder, bei der Offenlegung und Reduktion nicht legitimer Ungleichgewichte hinsichtlich struktureller Machtverhältnisse, beim Verständnis von Barrieren und Ansatzpunkten zur Verbesserung institutioneller Rahmenbedingungen (z. B. vermittelt über individuelle politische Überzeugungen) sowie bei Angeboten zur direkten Unterstützung von Betroffenen.
Zukünftige methodische Forschung
Reliabilität
Als Diagnostiker beschäftige ich mich viel mit Messungen und ihrer Nutzung beim Verfolgen inhaltlicher Ziele. Bereits eine der grundlegendsten Eigenschaften von Messungen — ihre Zuverlässigkeit bzw. Reliabilität — scheint bezüglich der Komplexität wichtiger sie beeinflussender Faktoren noch nicht von allen Zielgruppen ausgewogen verstanden zu sein. Gängige Methoden für die Schätzung der Reliabilität von „breiten“/heterogenen (vs. engen/homogenen/spezifischen) Konstrukten (z. B. α) können eine systematische Unterschätzung von Reliabilität erwarten lassen (laufende Bachlorarbeit von Dutke). Zeitgleich existieren viele Ursachen für starke Überschätzungen von Reliabilität (überlappend mit dem Phänomen systematischer Methodenvarianz gemäß Podsakoff et al., 2003), die bei Interpretationen von Reliabilitätsschätzungen und darauf basierenden Qualitätsbeurteilungen von Messinstrumenten überraschend selten thematisiert werden. Beides kann die psychologische Theorienbildung negativ beeinflussen, weil spezifischere Konstrukte mit hoch scheinenden Reliabilitätsschätzungen oder/und mit Methodenvarianz (die gleichzeitig zudem Verbindungen zu Outcomes aufblähen kann), bevorzugt werden könnten gegenüber komplexeren und schwerer zugänglichen Konstrukten, die aber potenziell ein bislang unberücksichtigtes Puzzlestück beitragen würden und kausalen Erklärungswert hätten. Über die Schnittmenge aus hochaufgelöster konzeptueller Arbeit, innovativen Messansätzen und belastbaren multimethodalen Studiendesigns möchte ich mit daran arbeiten, bestehende Mängel besser sichtbar zu machen und Lösungsansätze zu explorieren.
Prognosemodelle
Manchmal wollen oder müssen wir die Zukunft vorhersagen — auch in der Psychologie, z. B. wenn Entscheidungen über die Besetzung einer offenen beruflichen Position auf Basis der für verschiedene Bewerber*innen vorhergesagten Passung getroffen werden soll. Oft können nicht einfach vorhandene Regressionsgewichte genutzt werden, weil das jeweilige Vorgehen im konkreten Fall individuell ist (z. B. vom Schwerpunkt und bzgl. der Gestaltung einer Untersuchung) und weil generalisierbare, fertig entwickelte Modelle fehlen. Einschlägige Standards (z. B. die DIN-Norm 33430) fordern eine anforderungsbezogene Weiterverarbeitung der erfassten Informationen. Eine Literatursuche nach Anleitungen oder Beispielen für die quantitative Kombination verschiedener Informationsquellen liefert jedoch wenig zufriedenstellende Ergebnisse.
Forschungsbedarf sehe ich hier darin, [...] >> Mehr Informationen